42 Grad

Überleben in der Stadt -

Autor: Walter Schmidt-Bleker hat langjähriger Erfahrung im Bereich der Entwicklung, Harmonisierung und Nutzung von Geoinformationen für das Krisenmanagement.

Quälende Hitze, übergroße Trockenheit, dann wieder Starkregen und Überschwemmungen, begleitet von heftigen Gewitterstürmen. Wir fühlen: Der Klimawandel hat schon begonnen. Auch die nackten Zahlen der letzten 30 Jahre sprechen diese Sprache. Es wird wärmer in Deutschland. Dabei findet der Klimawandel nicht überall mit gleicher Intensität statt. In vielen unserer Städte leiden die Menschen während der Hitzeperioden ganz besonders. Der Trend zurück in die Stadt in Zeiten des demographischen Wandels tut sein Übriges. Sie fühlen sich nicht gut die Alten in den sommerlich brutheißen Städten.

Unsere Städte legen ja nicht isoliert irgendwo in der Landschaft. Sie sie sind eingebunden in vielfältige Bezüge zu ihrer Umwelt. Aus diesen Bezügen erwachsenden Risiken und Herausforderungen. Sie können das Leben der Menschen in vielfältiger Art und Weise beeinflussen, wie wir gerade vor kurzem noch im Rahmen der Hochwasserkatastrophen in Süd- und Ostdeutschland erleben mussten.

Der Klimawandel hat viele Gesichter, er bringt neue Herausforderungen mit sich.

Wir kommen nicht umhin, uns einzugestehen, dass wir immer wieder von der Natur überrascht werden. Wir versuchen diese „Bedrohung“ mit Namen wie Jahrhundertereignis, Jahrtausendhochwasser, Monstersturm und ähnlichen maximierenden Begriffen zu bannen. Wir wollen uns dabei vormachen, dass uns diese Extremwetterereignisse einfach so übermannen, und dass wir oft genug hilflos ausgeliefert sind.

Dabei leben wir in der Hoffnung auf unsere Wissenschaft und Technik, der ja eigentlich genügend Daten zur Verfügung stehen - auch um Handlungssicherheit für Politik zu eröffnen, um katastrophalen Ereignissen zu frühzeitig und nachhaltig zu begegnen.

Unsere Wettervorhersagen sind ja mittlerweile schon für Zeiträume bis zu sieben Tagen von erstaunlich hoher Präzision. Daten über Bewuchs, Bebauung und Topographie stehen in ausreichendem Maße zur Verfügung und dennoch gelingt es uns offenbar nicht, die Dinge in einem ganzheitlichen Ansatzes vernünftig zu bewerten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Da werden wir immer noch überrascht davon, dass Hochwasserwellen vor der eigenen Staatsgrenze nicht Halt machen, dass sich das Wetter einen Dreck um Landesgrenzen kümmert und dass die Sonne nicht nur in Bayern scheint.

Überrascht sind wir deswegen weil es noch immer nicht gelingt die vorhandenen Daten vernünftig zu verknüpfen, sie aufzubereiten und individuell für die unterschiedlichen Anwendungen zu visualisieren. Da gibt es Probleme vielfältiger Art mit unseren Daten. Seien es Probleme der Datenkompatibiltät an den Grenzen unserer Bundesländer. Auch der Zugriff auf die „ordentlichen“ amtlichen Daten in unserer föderal strukturierten Republik ist alles andere als komfortabel. Kleinkarierte Kostenabrechnungen und mangelhafte länderübergreifende Zugriffsmöglichkeiten sind äußeres Zeichen einer Denke, die nicht mehr in unsere Zeit passt.

Unkoordinierte Katastrophenvorsorge führt dazu, daß Bundesland A andere Deichhöhen baut zum Schutz vor Hochwasserfluten als Bundesland B am gegenüberliegenden Ufer!

Da blicken unsere engagierten Naturschützer mit großer Betroffenheit auf das Wohlergehen der Mopsfledermaus, und tun alles Erdenkliche, um ihren Lebensraum zu erhalten und zu gestalten. Auf der anderen Seite gelingt es uns nicht die Lebensbedingungen für die Menschen in unseren Städten nachhaltig unter den Bedingungen extremer Wetterbedingungen - wie zum Beispiel hohe und höchste Sommertemperaturen - erträglich zu gestalten.

Mit hoher Akribie blicken wir im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen auf mikroklimatische Bedingungen zwischen Hochhäusern, untersuchen wissenschaftlich die Sinnhaftigkeit von Fließgewässern in Bächleingröße in Häuserschluchten und analysieren nur ungenügend die Stadt als Teil eines klimatischen Gesamtsystems in der Landschaft.

Es fehlt daran, die Daten von Topographie, Klima, Natur- und Landschaftsschutz, staatlich so miteinander zu verknüpfen, dass übergreifende Handlungsmöglichkeiten für die Politik unter verschärften Rahmenbedingungen eines Klimawandels entwickelt werden können.

Den Wetterbedingungen denen wir gerade in Städten ausgesetzt sind, verdanken wir ja nicht nur dem Geschehen in der Atmosphäre, sondern auch den topographischen Gegebenheiten und dem Vorhandensein von Bewuchs und Bebauung in Natur- und Landschaft um diese Stadt herum.

Wir schaffen es nicht, Refugien für Luftströmungen zu öffnen– und zwar ohne Rücksicht auf Grenzen von Bundesländern und Staatsgrenzen.

Gute Beispiele gibt es, z.B. Jena:

Auf der 363 Meter hohen Fläche im angrenzenden Landschaftsschutzgebiet „Mittleres Saaletal“ entstehen nachts kalte Frischluftmassen. Diese fließen flächig an den unbebauten Hängen und kanalisiert durch das Mühltal in die Stadt der Gravitation folgend ab. Diese Kaltluftmassen wirken dabei weit bis in den Talgrund des Saaletals und kühlen die tagsüber erhitzten und nachts noch überwärmten Stadtbereiche effizient ab. Diese Wirkungen treten genau dann ein, wenn sie notwendig sind: während windschwacher, sonnenreicher Wetterlagen, also wenn im Sommer die Belastung für die Stadtbewohner besonders groß ist.

Genauso wie wir im Rahmen des Naturschutzes clusterartige Refugien und Verbindungen dieser Refugien untereinander für Tiere und Pflanzen schaffen, sollte es auch Folgendes möglich sein:

Landschaft unter Nutzung der Topographie, des Bewuchses und der Bebauung so zu gestalten, dass - wie im Beispiel Jena gezeigt - nachts wohltuend kühlende Luft in die Innenstädte einfließen kann!

Sicherlich wird dies nicht überall gelingen können und eine Stadt wie Freiburg wird immer unter den besonderen Bedingungen seiner Lage und deren Randbedingungen bei weiterer Erwärmung leiden. Deshalb ist es ein Gebot der Stunde endlich die in Fülle vorhanden Daten über Raum Gelände in Deutschland effektiv zu verknüpfen, um dann durch geeignete Maßnahmen gerade diesen Regionen in Deutschland Aufmerksamkeit zu schenken, die auch einer älter werdenden Bevölkerung zu allen Jahreszeiten erträgliche Umweltbedingungen gewährleisten können.

Herzogenrath im März 2014

Hinweis:

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ISBN: 978-3-8482-7370-6
Und noch ein Hinweis:
Als E-Book gibt es das auch.

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